Wie ich meinen Meister fand

 

Ansprache vom 24. Januar 1964
in Washington (USA)

 

 

 

 

Wie mein Äußeres erkennen läßt, wurde ich in einer Sikh-Familie geboren. Der Mensch ist ein Gemeinschaftswesen, er braucht eine Gemeinschaft, in der er leben kann. So wird er in der einen oder anderen Familie geboren. Er muß in einer Gemeinschaft sein.

Ich hatte von Kind auf eine Ahnung von Gott. Jeder Mensch hat seinen eigenen Hintergrund. Als ich die Sikh-Schriften las, las ich sie nicht flüchtig, sondern habe sie sehr aufmerksam gelesen. Ich schlug diese Schriften auf und nahm mir eine Hymne vor – nicht viele Seiten – und schrieb sie ab. Dann hielt ich sie mir den ganzen Tag vor Augen, und nahm sie "für die Lektion, die mir erteilt wurde.“ Je öfter man etwas wieder und wieder liest, desto mehr findet man darin. Wenn wir Schriften lesen, lesen wir gewöhnlich nur über sie hinweg. Wir lesen zwei, drei, zehn Seiten oder mehr, und kaum haben wir sie weggelegt, wissen wir schon nicht mehr, was wir gelesen haben. Wir vergessen es. Ich habe es jedoch nicht so gehalten.

Das Ergebnis war dies: Alle heiligen Schriften sagen uns, daß es einen Gott gibt; und eben diese Überzeugung hatte ich wesensmäßig in mir, würde ich sagen. Ich war mir nie im Zweifel über Gott. Die Schriften aber sprachen über die Notwendigkeit der Gemeinschaft mit einem, der Gott kennt – man mag ihn einen Guru, einen Meister oder einen Lehrer nennen: “Wenn ihr Gott sehen wollt, dann geht zu einem, der ihn sieht“ – das sagt der gesunde Menschenverstand – “und dem man sich selbst ganz ergeben kann, mit Gemüt, Körper und Seele. Je mehr ihr euch ihm überlassen könnt, desto größer ist der Erfolg, den ihr habt. Das erste ist, jemand zu finden, der Gott kennt, der Gott sieht, so wie ich euch sehe und ihr mich.“ Je mehr ich in die Sikh-Schriften und auch in die Schriften anderer Religionen eindrang, desto mehr bestätigte sich mir diese Wahrheit.

Wenn ihr an einen Pilgerort geht, ist es besser, einen mit euch zu nehmen, der bereits dort war. Es ist einfacher, nicht wahr? Wie zuversichtlich können wir uns dann auf den Weg dorthin begeben! Angenommen, ihr müßt euer Land verlassen und in ein fremdes Land gehen. Was würdet ihr tun? Im allgemeinen nimmt man einen Reiseführer zur Hand, um herauszufinden, mit welchen Verkehrsmitteln man am besten dorthin gelangen, es erreichen kann, wo man sich aufhalten will und wo nicht. Nehmt an, ihr müßt an einen Ort, wo ihr die Sprache nicht kennt. Was macht ihr dann? Wieviel Geld wird erforderlich sein? Was haben wir mitzunehmen? All diese Dinge gilt es zu bedenken. Darüber geben natürlich die Reiseführer Auskunft; aber sie sprechen nicht. Sieht man sie durch, mag man etwas auf einer Seite finden, etwas anderes auf der zehnten, weiteres auf der fünfzigsten Seite. Falls, während ihr den Reiseführer durchseht, jemand zu euch kommt und sagt:

“Wollen Sie nicht dorthin gehen? Hier ist jemand, der von dort gekommen ist“, was würdet ihr dann tun? Ihr würdet wohl den Reiseführer schließen und zu ihm gehen. Weshalb? Es ist ganz natürlich. Die Schriften sagen uns: “Wer Gott kennt, sitzt zu seinen Füßen.“ Lest dies durch, und ihr werdet dasselbe finden. Doch vieles ist nicht klar: die Bücher werden nicht wie eine wissenschaftliche Abhandlung geschrieben; es gibt einige Hinweise hier und dort. Manche werden in Form von Gleichnissen gegeben, andere sind direkt, doch man findet nicht das Ganze an einer Stelle. So wie ich es euch jetzt erkläre, werdet ihr es dort nicht finden.

Ihr würdet also diesen Menschen gleich aufsuchen. Und wenn ihr zu ihm kommt, wird er sagen: “O ja, ich war dort; wollt ihr auch dahin?“ – “Ja.“ Und wenn ihr ihm die Frage stellt, wird er erwidern: “Ja, ihr könnt an diesen oder jenen Ort fahren, ihr könnt dort Zwischenstation machen und unterwegs zu essen bekommen ...“

Ihr seid überzeugt, daß dieser Mann es gesehen hat; aber er geht jetzt nicht dorthin. Doch eine Woche später hört ihr, daß eben dieser selbe Mann wieder dorthin zurückgeht, von wo er kam und wohin ihr gehen wollt. Ihr fragt ihn, ob er euch mitnehmen würde. “Ja, sehr gerne.“ Wie zuversichtlich seid ihr dann! Ihr braucht euch nicht darum zu sorgen, wohin ihr geht und wo ihr eine Pause einlegen wollt, denn der Mann kennt all das – er war an dem Ort.

Ähnlich las ich auf dieser Suche die Schriften – zuerst in der Familie, in der ich geboren wurde. Die Sikh-Schriften sind ein bedeutendes Schatzhaus. Sie umfassen etwa 1400 Seiten im Großformat. Ihre Schönheit besteht darin, daß man die Zeugnisse so vieler Gottmenschen zusammen findet. Die Veden gelten als die ältesten Schriften der Welt. Sie schließen die Aussagen und Entdeckungen vieler Rishis ein, nicht nur von einem. Ihr werdet finden, daß die späteren Schriften nur soviel wiedergeben, wie der eine, bestimmte Meister, welcher zu der Zeit da war, sagte – obgleich alle Lehren ähnlich sind. Ich beschreibe lediglich ihre Schönheit. So enthalten die jüngsten Schriften, die der Sikhs, die vor 400 Jahren geschrieben wurden, so viele Aussagen der Meister, wie sie damals nur irgend zusammengetragen werden konnten.

Es war Guru Arjan, der alle Darlegungen der vier Meister, die vor ihm gekommen waren, gesammelt hat. Er selbst war der fünfte in der Linie nach Guru Nanak; und Guru Nanak war 48 Jahre ein Zeitgenosse von Kabir. Er sammelte all diese Aussagen und fügte seine eigenen hinzu: etwa die Hälfte war gesammelt, und die andere Hälfte, die er dazugab, stammte von ihm selbst. Er war ein sehr guter, von Gott inspirierter Mensch. Er ließ wissen:

“Ich und mein Vater sind eins. Der Vater und der Sohn sind in derselben Farbe gefärbt. Sie haben ein Bündnis geschlossen.“ Solche Dinge nahm er in die Schriften auf. Dann ließ er einige Seiten leer und schloß so das Buch. Er sagte: “Dies ist das Schatzhaus der Gottheit; je mehr ihr in es eindringt, desto mehr der unvergleichlichen Juwelen findet ihr“, und er ließ einige Seiten frei. Die Leute fragten ihn, weshalb er das tue.

Er antwortete: “Hier sollen die Aussagen des neunten Gurus, der mir folgen wird, aufgezeichnet werden.“ Und es fanden sich dort auch zwei Verse des zehnten Gurus – ein Reim paar nur. Dies waren sodann die letzten Schriften. Die ältesten Schriften der Welt und die letzten enthalten Aussagen so vieler Meister zusammen. Sie bilden eine Festhalle der Spiritualität.

Danach kam ich natürlich an andere Schriften. Ich besuchte eine Missionsschule, dadurch war ich in Verbindung mit den Lehren der Missionare. Doch was sie sagten, verstand ich nicht. Die Lehren schienen mir ganz klar zu sein; aber jenen, denen sie predigten, waren sie vielleicht nicht so klar. Sie sagten: “Ihr müßt in Christo geboren sein.“ Ich fragte: “Wie kann ein Mensch in einem Mann geboren werden?“ – Nach dem gesunden Menschenverstand! “Gott ist Licht.“ Und sie erklärten: “Nun, intellektuell: Gott gibt uns den Verstand, um ihn zu verstehen.“

Dann las ich noch andere Schriften – die der Moslems und Hindus – soviel ich nur bekommen konnte. Alle erklärten dasselbe: “Es gibt einen Gott. Wenn ihr ihn sehen wollt, sitzt zu den Füßen von einem, der ihn gesehen hat; der ihn nicht nur gesehen hat, sondern imstande ist, ihn uns ebenfalls sehen zu lassen.“ Ihr werdet feststellen, daß Christus sagte: “Und niemand kennet den Vater, denn nur der Sohn, und wem es der Sohn will offenbaren.“ Die Sohnschaft besteht weiter. Alle islamischen Schriften und Überlieferungen verkünden uns dasselbe. “Ihr müßt Mittel und Wege finden, um Gott zu erreichen.“ Auch die Hinduschriften sind voll davon. In jeder Schrift sind diese Aussagen zu finden. Natürlich, es gab so viele Meister, wenn ich mich umsah. Zu welchem sollte ich gehen? Wir waren drei Brüder. Zwei von uns halfen einander: “Wenn du einen Gottmenschen findest, sage es mir, und wenn ich einen finde, werde ich es dir sagen.“ Wir suchten, seht ihr?

So viele Menschen hielten Versammlungen dieser Art ab. Einmal schrieb mir mein Bruder: “Hier ist ein sehr großer Mensch; ein sehr großer Meister ist gekommen. Willst du ihn sehen?“ Ich ging dorthin und sagte ihm:

“In mir ist eine Berauschung, die Tag und Nacht anhält; doch manchmal, nach drei, vier oder fünf Monaten, hört sie für einen oder zwei Tage auf, was mich sehr irritiert. Könnt Ihr mir da helfen?“

Was sagte er: “Sie müssen alles – Körper, Gemüt und Seele – mir übergeben. Nur dann kann ich, werde ich es Ihnen gewähren.

Ich dachte: “Der Mann will meinen Körper und Besitz; mein Verstand und alles andere sollte blindlings übergeben werden.“ Ich erwies ihm Ehrerbietung und kehrte zurück. So seht ihr, man unterwirft sich nur, wenn man eine Kompetenz erkennt. Ergebenheit und Liebe – einer, der liebt –‚ das ist etwas anderes. Wenn man sich unterordnet, hat man Einfluß auf den, dem man sich ergibt; er muß sich um uns kümmern.

Viele kamen und gingen. Ich sah einen, der sehr gottberauscht war; aber er lebte auf eine Weise, daß niemand zu ihm zu kommen wagte. Wir pflegten all unsere Freunde am Abend außerhalb zu treffen. Wir fragten uns:

“Gibt es einen Gottmenschen, den wir finden können?“

Dann ließ ich sie wissen: “Ich habe einen solchen Mann gesehen. Er ist gottberauscht, aber er ist eine hart zu knackende Nuß.“ Ihr werdet feststellen, daß manche gottberauscht sind, aber sie lassen euch nicht an sich herankommen. Ihr Leute habt das Vorrecht zu sprechen, Fragen und Gegenfragen zu stellen und zu kritisieren; dieser Mann würde das nicht dulden. So erzählte ich ihnen von diesem Mann. Unser Meister (Baba Sawan Singh) erwähnte ihn ebenfalls, und er begegnete ihm auch. Sein Name ist Baba Kahan. Er war nackt. Inmitten von Schmutz brannte dort ein Feuer. Wenn Hitze aufkam, fächelte er sie einfach in die entgegen gesetzte Richtung.

Ich ließ sie wissen, daß er berauscht war. Jeden, der zu ihm kam, beschimpfte er. Wenn sie nicht gingen, schlug er sie. Aber da war etwas: er beschimpfte sie, und die Leute blieben dennoch dort. Zuweilen schlug er sie auch. Doch zu welchem Zweck sie auch immer hingingen, diesem Zweck wurde Genüge getan: sie erhielten es.

Zu jener Zeit besuchte ich noch die Schule. Ich ging auch zu ihm. Er saß gerade halbnackt auf einer etwas erhöhten Stelle. Ich stand da und beobachtete die Leute, die er beschimpfte und die weggingen. Ich blieb, bis alle gegangen waren. Dann rief er mich: “Nun, Sardar, was willst du?“

Ich ging zu ihm hin: “Ich kam nur, um Euch zu sehen.“

“Gut, geh.“

Das war also die Verbindung, die ich mit ihm hatte. So sagte ich einem Mann: “Er hat etwas, aber er ist eine sehr hart zu knacken de Nuß, bedenke das.“

Keiner leidet, versteht ihr? Es geht um etwas sehr Kostbares. Wer gibt es euch?

“Nun gut, was soll ich tun?“ fragte er.

“Geh hin und sitze eine Nacht bei ihm. Und selbst wenn er etwas sagt oder dich beschimpft, mach‘ dir nichts daraus.“

Er ging die Nacht hin und blieb dort. Nach 11 oder 12 Uhr beschimpfte ihn Baba Kahan und schlug ihn mit der Faust. Er lief weg. Am nächsten Tag traf sich unsere Gruppe wieder, und ich fragte ihn: “Wie fandest du ihn?“

“Oh, er beschimpfte mich und schlug mich mit der Faust.“

“Nun, mach dir nichts daraus“, sagte ich. “Beachte es nicht, er hat etwas, geh hin.“

So ging er am nächsten Tag wieder hin. Statt ihn lediglich zu schlagen, nahm Baba Kahan ein brennendes Stück Holz und schlug ihn damit. Dann ging er. Am nächsten Tag schlug er ihn nicht mit dem Holz, sondern hielt ihn unter eine Quelle. Wieder ging er weg. Am dritten Tag fragte ich ihn, was geschehen sei.

“O ja“, sagte ich, “aber mache dir nichts daraus, er hat etwas. Er bewahrt den Reichtum; er will ihn dir nicht geben. Beachte es nicht; laß ihn dich töten, es soll dich nicht bekümmern.“

Die Nacht des dritten Tages ging er ebenfalls dorthin. Er hielt es, wie ich es ihm beschrieben hatte; Baba Kahan verursachte mit dem brennenden Holz eine kleine Wunde bei ihm. Doch lief er nicht weg. Mitten in der Nacht, nach 1 Uhr, fragte ihn Baba Kahan:

“Was willst du eigentlich? Weshalb kommst du zu mir?“

“Ach, Meister, gebt mir etwas“, erwiderte er.

Dann ließ er ihn den Tonstrom hören. Manche Menschen haben es und halten es fest. Sie wollen es nicht weggeben.

So ging es weiter. Ich pflegte zu beten:

“O Gott, ich bin davon überzeugt, daß man dich nicht erreichen kann ohne einen, der dich kennt.“ Es ist eine praktische Sache der Selbstanalyse. Gott kann nicht durch die nach außen gehenden Kräfte, die Lebensenergien oder den Verstand erkannt werden. Es ist eine Sache des Sehens: wer sieht, kann auch euch sehen machen. “Ich weiß, daß zweifellos eine Notwendigkeit dafür besteht, das sagen alle Schriften. Ich bin davon überzeugt, aber wohin soll ich mich wenden. Angenommen, ich gehe zu jemand, der dich nicht gefunden hat – was wird mein Schicksal sein?“ Auf diese Weise pflegte ich zu beten. “Wenn du dich den alten Heiligen enthüllt hast“ – manchmal findet man dementsprechende Berichte –‚ “warum kannst du es nicht auch in meinem Fall? Ich bin sicher, und ich habe große Achtung für diese Notwendigkeit; aber es gibt so viele Meister, welchen soll ich wählen?“

Daraufhin begann mir mein Meister (Baba Sawan Singh) zu erscheinen, wenn ich in Meditation saß oder etwas anderes tat. Ich dachte, daß es vielleicht Guru Nanak sei. Er sprach zu mir. Es war während des ersten Weltkriegs, und mein Bruder war an der indischen Front, entlang der persischen Grenze. Ich überschritt sie öfter mit ihm und ging an verschiedene Orte.

Ich hatte eine Vorliebe für Flüsse, Seen, Wasser. Schon in meinen jungen Jahren ging ich ans Wasser, ans Ufer eines Flusses, und saß dort die ganze Nacht durch an einer ruhigen, ungestörten Stelle. Das fließende Wasser hilft ein wenig bei der Konzentration. So hielt ich es eine ganze Weile.

In der Zwischenzeit war ich zuerst in Peshawar, und danach wurde ich nach Nowshera versetzt. Auch dort befindet sich ein Fluß, an dessen Ufer ich stundenlang saß. Dann kam ich nach Jhelum. Wieder war dort ein Fluß, an dem ich viele Stunden verbrachte. Ich liebte auch das Schwimmen sehr. (Man braucht nur in den Fluß hineinzugehen; wenn ihr keine Angst habt, wird nichts geschehen. Es ist nur die Angst, die euch tötet. Wenn ihr lediglich euren Fuß oder eure Hände ein wenig bewegt, werdet ihr nicht ertrinken.)

Dann kam ich nach Lahore, das ebenfalls an einem Fluß liegt, und wo ich die ganze Zeit über gewesen bin. Es gab auch den Fluß Beas, den ich gerne sehen wollte. So fuhr ich an einem Sonntagmorgen mit dem Zug dorthin und stieg in Beas aus. Einen alten Mann, den Stationsvorsteher von Beas, fragte ich, auf welcher Seite der Fluß sei. Er war ein Ergebener des Meisters: “Wollen Sie den Meister sehen?“

“Lebt hier ein Meister?“

“Ja. “

“Wo?“

“Am Ufer des Flusses.“

Ich sagte ihm, daß ich nun zwei Dinge auf einmal bekomme: ich werde mich der Flußlandschaft erfreuen und gleichzeitig den Meister sehen. Dann zeigte er mir den Weg dorthin.

Der Meister war im oberen Stockwerk, wo er sein Mahl einnahm. Ich ging hinaus und wartete. Nach einer halben Stunde etwa kam er heraus. Ich war überrascht: Es war derselbe Mann, der mir seit sieben Jahren, von 1917 bis 1924, im Innern erschien. Ich zollte ihm Ehrerbietung: “Warum so spät?“ Er antwortete: “Das war der günstigste Zeitpunkt für dein Kommen.“

So war es, als ich meinen Meister fand. “Der Guru erscheint, wenn der ‘chela‘ bereit ist“ – auch dem größten Skeptiker. Vermutlich war keiner von euch so skeptisch, wie ich es war. Ich war bange, versteht ihr, zu einem zu kommen, der Gott nicht gefunden hatte, und daß mein Leben vergeudet sein würde.

Wenn ich zu ihm kam damals – ein oder zweimal, jeden Sonntag ging ich hin –‚ sah er nach mir, wie ein Vater nach seinem Sohn Ausschau hält. “Richtet diesen Raum ein, bringt das Bettzeug“, dieses und jenes. Ich fragte: “O Meister, fühlt Ihr Euch nicht belästigt, wenn ich hier zu Euren Füßen bin?“

“Nun, du siehst jetzt nach dieser Dera; richte dich darauf ein. Du wirst nach jenen sehen, die hierher kommen.“ Dies waren die Worte, die er beim allerersten Mal zum Ausdruck brachte.

Das nächste Mal war Initiation – es war Anfang Februar – alle saßen in Meditation.

Der Meister sagte: “Setze dich innen hin.“ Ich kam gerade. Er gab dort die Initiation. Ich war innen, saß in seinem Zimmer. Ich wartete auf ihn; vielleicht ruft er mich oder sonst etwas. Ich konnte nicht wagen, wegzugehen, weil er mich nicht rief. Ich saß drinnen. Dann kam er zurück. Ich fragte ihn:

“Würdet Ihr mich bitte initiieren?“

“O ja, gewiß!“

Was das Mysterium des Lebens ist – was ist ein Mensch, was ist eine Seele –‚ wurde in kürzester Zeit geklärt. Die Qualifikation eines Meisters besteht darin, daß er euch eine Erfahrung geben kann. Manche sagen:

“Gut, kommt hierher; hier sind Karten, die euch den Weg zeigen. Geht diese Straße entlang, oder wendet euch nach rechts, dann nach links – oder so ähnlich.“ Manchmal muß man stundenlang suchen und findet den Weg nicht. Aber ein Meister kann euch eine Erfahrung geben, damit ihr beginnen könnt; er kann erscheinen und den dunklen Schleier beseitigen, indem er euch eine Meditationssitzung gewährt, und ihr könnt bezeugen, daß es so ist. Man braucht nicht bis nach dem Tod zu warten oder eine Vielzahl von Jahren. Er sagt euch nicht: “Nun, macht weiter, ihr werdet es zu gegebener Zeit erlangen.“ Ihr werdet feststellen, daß es bei den meisten Lehrern so ist: “Kommt euren Meditationen regelmäßig nach; gewisse Rückwirkungen aus der Vergangenheit werden euch helfen.“ Aber die Kompetenz eines Meisters liegt in der Tatsache, daß er imstande und darin geübt ist, den Gebildeten wie auch den Ungebildeten, dem Mann von der Straße, eine Erfahrung zu geben.

Es kam zu einer Auseinandersetzung, als unser Meister ein Meister wurde – er die Rolle des Meisters übernahm. (Er war ein Meister, doch er nahm die Funktion des Meisters auf.) Wenn andere fragten: “Wieso, wie könnt Ihr ein Meister werden?“, war er sehr höflich und sehr bescheiden. Er wollte nie in einen Streit verwickelt werden. Nachdem sie auf dem Punkt beharrten, sagte er: “Nun, holt fünf oder sechs Leute von der Straße weg, laßt sie sich hinsetzen, und gebt ihnen eine Erfahrung. Ich will auch welche holen, und dann werden wir sehen, wem es gelingt!“ Das ist alles: das letzte Ziel zu vermitteln und was zu tun ist, es zu erreichen. So war es also, wie ich meinem Meister begegnete.

Wenn mich die Leute fragen, welches mein Geburtsdatum sei, sage ich für gewöhnlich:

“Ich habe drei Geburtstage: den ersten, als ich in den Körper geboren wurde; den zweiten, als ich den Meister sieben Jahre vorher im Innern traf, und den dritten, als ich ihm physisch begegnet bin.“

Es sind die Gaben Gottes. Ich war sehr besorgt, denn im allgemeinen findet man, daß Meister einfach sagen: “Lest weiter die Schriften.“ Das ist richtig, es ist der erste Schritt. Aber man kann nicht den richtigen Sinn der Schriften verstehen, bis man zu einem kommt, der die Erfahrung hat. Er allein ist in der Lage, euch ebenfalls eine Erfahrung zu geben, euch das rechte Verständnis zu vermitteln und die richtige Bedeutung der Schriften. Denn was sind die Schriften? Sie sind die schönen Aufzeichnungen der Erfahrungen, welche die Meister in ihrem Leben gemacht hatten. Das eine oder andere Ritual auszuführen ist in Ordnung, um den Boden zu bereiten. Doch Sehen ist etwas anderes: es kommt nur, wenn man sich selbst analysiert, sich über das Körperbewußtsein erhebt und bezeugt, daß dort Licht ist. Ein Meister wird auch bezeichnet als einer, der die Sphärenmusik hörbar macht. Wer kann euch das Licht und die Sphärenmusik geben? Was sind diese beiden? Es sind die zwei Aspekte der sich zum Ausdruck bringenden Gotteskraft. Gott hat nicht seinesgleichen, keinen Vater, keine Mutter, nichts der Art. Nur wer das personifizierte Wort ist, kann euch am allerersten Tag eine Erfahrung dieser Kraft ver­mitteln. Selbst der Blinde hat das innere Auge, welches das Einzelauge genannt wird. Die Schriften lassen uns wissen: “Wenn dein Auge einfältig ist, so wird dein ganzer Leib licht sein ... Wenn ihr die Tore des Körpertempels schließt, werdet ihr das Licht des Himmels sehen.“ Es wird das dritte Auge, das Einzelauge oder das verborgene Auge und auch ‘Shiv Netra‘ genannt. Es gibt so viele Bezeichnungen dafür.

Dies sind die grundlegenden Lehren, welche schließlich die Verbindung mit der Wirklichkeit bringen. Philosophien befassen sich mit Theorien. Dies hier jedoch wird Mystik genannt: sie gibt eine Verbindung mit der Wirklichkeit – der Wirklichkeit, die sich zum Ausdruck brachte. Die Psychologie arbeitet auf der Ebene des Verstandes. Diese Lehre jedoch wirkt nicht auf der Verstandesebene. Sie wirkt nur, wenn der Verstand ruhig ist. In der Psychologie und Philosophie hat man es mit zwei Dingen zu tun: einem Subjekt und einem Objekt. In der Mystik gibt es keine Dualität; man hat die direkte Verbindung mit der zum Ausdruck kommenden Gotteskraft. Je mehr man äußerlich ungebunden ist, desto mehr hat man eine ethische Lebensweise und umso mehr kommt man in Verbindung mit dieser Kraft; und wie ein elektrischer Aufzug bringt sie einen dorthin, von wo sie ausging.

Gott brachte sich aus dem wortlosen Zustand als Licht und Ton zum Ausdruck. “Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“ Diese Kraft, die sich in einem menschlichen Pol offenbart, wird Gotteskraft, Meisterkraft oder Gurukraft, und auch Christuskraft genannt. Christus lebte vor Jesus, beachtet das, und lebt darum immer. Das sagte der hl. Johannes. Doch wir lesen nur flüchtig, was in den heiligen Schriften geschrieben steht; wir verstehen nicht, was gemeint ist. Wenn einer mit etwas Falschem beginnt, machen es ihm andere blindlings nach. Wie viele gibt es, die eine Ersthand-Erfahrung geben können? Sie mögen sagen:

“Gut, fahrt fort zu meditieren“, und manche mögen eine Erfahrung bekommen, andere aber wieder nicht. Dies zeigt, wo die Befähigung liegt: wegen Gott in ihm, nicht dem Menschensohn.

Jemand fragte unseren Meister: “Wie sollen wir Euch anreden?“ Er antwortete: “Nehmt mich als euren Bruder, euren Vater, als euren Freund, als euren Lehrer. Tut das, was ich euch sage. Wenn ihr euch über den Körper erhebt und ihr findet ihn auch innen, und er ist dort ebenfalls imstande, euch zu führen, dann mögt ihr mich nennen, wie immer ihr wollt.“

Alle Meister sagen: “Geht zu den Füßen einer solchen Persönlichkeit im menschlichen Körper, über deren Pol die Gotteskraft wirkt; die euch führen kann, während ihr im Körper seid und ebenso, wenn ihr den physischen, astralen und kausalen Körper überschreitet. Einen solchen Meister sollt ihr nehmen.“ Wie viele gibt es davon? Es gab einige in der Vergangenheit, und auch jetzt gibt es ein paar. Ich wünsche, es wären Hunderte und Tausende; dann gäbe es keinen Streit.

Als mein Meister den Körper verließ, mußte ich in die Wildnis gehen. Ich hatte für fünf oder sechs Monate eine Erfahrung vom Dschungel und kannte ein paar abgeschiedene Plätze. So ging ich nach Rishikesh, sozusagen dem Zentrum der Hindu-Theologie. Dort lebte Shivananda, der inzwischen verstorben ist, und auch viele andere Yogis.

Ich ging dorthin und blieb in einem Wald jenseits des Flusses. Dort traf ich mit allen möglichen Leuten zusammen. Es waren Verstandesakrobaten, Debattierclubs, die alle die Anfangsschritte praktizierten: wie man Gebete darbringt, wie man gewisse Riten und Rituale verrichtet. Und die meisten von ihnen übten ‘Hatha-Yoga-Praktiken‘. Natürlich, mit gebührender Achtung für sie, es hält den Körper gesund – das ist gut.

Da war auch ein Mann namens Raghuvacharya, der noch lebt (Anm.: Raghuvacharya starb 1971 im Alter von 115 Jahren). Er ist nun ein alter Mann, ich denke 106 oder 107 Jahre alt, doch er ist noch sehr gut auf den Beinen. Als ich zu ihm ging, sagten mir die Leute: “Oh, er kümmert sich nie um jemand.“ Und als ich ungefähr 100 bis 150 Meter oder etwas mehr von ihm entfernt war, erschien er; er saß auf seinen Füßen. Er sah mich an und stand auf. Die Leute sagten: “Das ist seltsam, er hat sich noch nie um irgend jemand gekümmert, doch er stand auf. Er kam, und wir hatten ein Gespräch. Dabei ergab sich, daß er zur ersten Ebene, zu ‘Sahasrar‘, gelangte. Ich habe nur einen Menschen gefunden, der den Körper überschritten und die erste Stufe erreicht hat. Er sagte mir, was er gelernt habe, indem er alle Shastras, Veden und Upanishaden studierte: “Ich habe das erfahren, was Ihr nun sagt.“

Das ist die Gnade des Meisters. Die Meister geben euch einen Überblick über dieses ganze Wissen, das ‘Para Vidya‘ genannt wird. So fand ich also nur einen Menschen dort. Die Welt ist nicht ohne sie, aber es gab nur sehr wenige davon in der Vergangenheit, und auch heute sind es wenige. Ihr werdet feststellen, daß die meisten von ihnen lediglich sagen: “Lest dieses ‘Mantra‘, diesen ‘Shabda‘, diese Schrift täglich.“ Sie üben auf diese Weise nur ein Ritual aus oder verrichten ein Gebet, indem sie eine Lampe entzün­den oder eine Glocke läuten – je nachdem, wie der Brauch ist. Jedermann hat seine eigenen Rituale und Bräuche. Es ist richtig, Beten ist eine sehr gute Sache: ein Gebet, das sich aus dem Herzen erhebt, wird von Gott gehört, und er trifft Vorkehrungen, euch zu ihm zu bringen. Manche Leute leiten euch sodann an, euren Körper gesund zu erhalten. Das ist recht; aber es ist nicht Spiritualität, es ist eine Hilfe für die Spiritualität. Einige lehren euch, wie ihr euer Leben verlängern könnt – auch das ist gut. Wieder andere lehren euch, wie ihr andere Menschen beherrschen, wie ihr sie hypnotisieren und wie ihr die Gedanken anderer lesen könnt. Aber all das ist nicht Spiritualität. Wie viele gibt es, die euch wirklich eine Erfahrung davon geben können, wie man sich über das Körperbewußtsein erhebt?

Das ist also die Lage der Dinge. Ich wünschte, es gäbe Hunderte und Tausende von solchen, die sehen. Würden sie sehen, weshalb sitzen sie dann nicht zusammen? Wenn alle Menschen Gott erkennen, gibt es keine Eifersucht, keine Rivalität. Sie sind Brüder, die einander umarmen. Allein die Tatsache, daß sie sich nicht begegnen wollen, zeigt, daß sie Gott nicht kennen. Jeder singt sein eigenes Lied: “Ich bin der größte.“ Und was tun sie? Sie fordern uns einfach auf, “uns dieses Gesicht vorzustellen.“ Natürlich werdet ihr für den Augenblick etwas erhalten, da eine gewisse Konzentration gegeben ist. Doch was wird aus euch? “Wie ihr denkt, so werdet ihr.“ Ist das nicht gefährlich? Sehr gefährlich. Aus diesem Grund rate ich nie, sich eine Vorstellung von etwas zu machen. Stellt ihr euch die richtige Person vor, ist es gut. Im anderen Fall wird euer Ziel gänzlich zunichte gemacht. Dies ist es also, was in der Welt vor sich geht.

Ich würde sagen, das erste Kennzeichen für einen Meister, wenn er einem anderen Meister begegnet, ist, daß er ihn umarmt; er wird sich darüber freuen. Es gibt da keine Frage von hoch oder niedrig. Ich erinnere mich an ein Ereignis in meinem Leben, als mein Meister Baba Sawan Singh einen Anhänger von Rai Saligram mit Namen Shivbrat Lal traf. Er war eine sehr entwickelte Seele. Als sie sich zum ersten Mal begegneten, war ich dabei. Er verneigte sich .vor meinem Meister, und mein Meister verneigte sich vor ihm. Sie umarmten sich. Weshalb sollten sich dann nicht solche, die auf dem Weg sind, umarmen? Weshalb sollten sie sich nicht freuen? Allein die Tatsache, daß sie nicht zusammentreffen wollen, zeigt, daß sie ihr eigenes Lied singen. Sie haben Gott nicht gesehen, sage ich euch.

Ich bin zuweilen sehr offen, mit gebührender Achtung für alle. Wenn sie dasselbe gesehen haben, wo ist das Hoch oder Niedrig? Ich sehe Gott in euch, und ihr seht Gott in mir; das ist in Ordnung.

So geht bitte zu einem, von dem ihr etwas bekommen könnt. Welch anderen Beweis kann man erhalten? Und es muß in einem bewußten Zustand sein, nicht unter Beeinflussung oder Hypnose, beachtet das. Manche sagen, es sei Hypnose, denn alle würden dieselbe Erfahrung haben. Jeder Mensch hat seinen eigenen inneren Bewußtseinszustand. Sie sehen, sie erheben sich über den Körper, sie sehen Licht. Jeder hat seine eigene Erfahrung.

Das ist es, was man Wahrheit nennt – ohne irgendeine Übertreibung. Diese Tatsachen wurden von allen Meistern bekannt gemacht. Ich will euch nun eine andere Begebenheit aus meinem Leben erzählen: Schon als Student las ich sehr gerne Biographien. Ich denke, daß ich mehr als 300 Lebensbeschreibungen von Heiligen des Ostens und Westens gelesen habe. Das erste Buch, das mir in die Hände kam, als ich in die siebte Klasse ging, war das Leben von Ramanuja, einem Heiligen. Und was las ich dort? Es hieß da, daß er zu einem Meister ging, der ihm die Initiation gegeben hat. Danach ging Ramanuja von Ort zu Ort, und es trug sich zu, daß er sich auf einen Erdhügel stellte und alle Leute zu sich rief. Sie fragten ihn, was er tun wolle, und er erwiderte: “Ich habe etwas bekommen und will es euch geben.“

“Oh, du widersetzt dich der Anweisung deines Meisters.“ Ohne die Genehmigung seines Meisters sollte er es nicht getan haben.

“Es macht nichts. Ich werde zur Hölle gehen, aber ihr seid gerettet. Ich will die Hölle um euretwillen erleiden, doch ihr seid schließlich errettet; ich mache mir nichts daraus.“

Damals kam mir in den Sinn, daß ich diese Sache, wenn ich sie bekäme, in beliebigem Maße weitergeben würde. Doch glücklicherweise habe ich es dann mit Weisung meines Meisters getan, nicht ohne diese! Und das ist seine Gnade, die wirkt, sage ich euch. Nie habe ich auch nur für einen Augenblick daran gedacht, daß ich es tun würde: er ist es, der es tut. Einige Leute fragen mich: “Ihr habt die Initiation gegeben; weshalb erscheint dann Euer Meister mit Euch oder auch ganz allein?“ Sagt mir, was sollte ich darauf antworten? “Mag sein, er ist in mir.“ Und das ist alles, was ich ihnen wirklich sagen kann. Auch jenen, die ihn nicht in seinem physischen Körper gesehen haben, erscheint diese Gestalt, ohne daß sie sich eine Vorstellung von ihr machen. Sie haben ihn noch nie gesehen, doch sie erkennen ihn, wenn man ihnen Fotos von ihm zeigt.

Das ist der wirkliche Stand der Dinge. Dies sind Worte des gesunden Menschenverstandes: es werden keine Schlüsse gezogen, und es gibt kein intellektuelles Ringen. Ich wünschte, alle würden zusammensitzen, sich umarmen und sagen, was sie wollen. Weshalb gehen so viele Gemeinschaften verschiedene Wege, von denen der eine hierhin, der andere dorthin führt. Wollten sie besser zusammensitzen, alles durchdenken und die höheren Dinge bekanntmachen. Weshalb sollten sie ihr ganzes Leben und das anderer vergeuden, indem sie sich nur den Anfangsschritten zuwenden? Gewiß, alles hat seinen eigenen Wert, und man mag den besten Gebrauch von dem machen, was erforderlich ist. Doch dies ist das Höchste. Das Leben ist kurz; und so war es also, wie ich es erlangte und wie mein Meister mich anwies, es euch zu gewähren, damit ihr weitermachen könnt. Errichte eine gemeinsame Plattform für alle. Aber das sagen nicht alle “Meister“. Sie sagen: “Macht in der Weise weiter.“ Die Wahrheit ist nicht das verbürgte Recht irgendeiner Religion, eines Landes oder einer Familie, bedenkt das. Sie ist das Vorrecht eines jeden Menschen. Wo immer sich diese Kraft offenbart, von dort könnt ihr sie erhalten. Aber was tun die Leute? Wenn ein Meister da ist, suchen

jene, die seinem Haushalt angehören, die Meisterschaft in derselben Familie zu halten. Entschuldigt, mit gebührender Achtung für alle – sie wollen sie in eben diesem Haus, in derselben Linie und Familie halten; denn es wird zu einer Einkommensquelle, sage ich euch; versteht ihr?

Dies ist also das Resultat. Der Sohn mag dem Vater gleich sein, doch vielleicht ist es nicht so, nicht notwendigerweise so. Wenn es gegeben ist, schön und gut. Das ist der Maßstab. Wo immer ihr es findet, dorthin geht. Motten gehen dahin, wo Licht brennt.

Das ist somit die Ursache dessen, was in so vielen Religionen vor sich geht. Sie werden lediglich zu Gemeinschaften; diese wiederum führen zu Stagnation, und Stagnation führt zur Entartung.

Die Wahrheit ist eine. Sokrates wurde gefragt, ob er Plato liebe. Er erwiderte: “Ich liebe Plato. Aber ich liebe die Wahrheit mehr als Plato.“ Seht ihr? Wir suchen nach der Wahrheit. Mit der Wahrheit verhält es sich so: Wo immer sie ist und ihr sie findet, dahin wendet euch. Was hat unser Meister gesagt: “Das ist die Wahrheit, die euch gegeben wurde. Wenn ihr irgendwo mehr als dies findet, geht hin und laßt es mich wissen:

ich will dann ebenfalls dorthin gehen.“ Wir verehren die Wahrheit, nicht Personen, dieses und jenes. Ob ihr die Wahrheit nun hier, auf der Straße, an einem Flußufer oder an einem dicht besiedelten Ort findet, geht dorthin. Ihr mögt sie bei einem Flickschuster finden. Die Geschichte zeigt, daß ein Heiliger – Ravidas – ein Flickschuster war.

Er reparierte Schuhe. Und Mira Bai, die Prinzessin, kam zu seinen Füßen. Was tat er? Er hatte eine kleine Hütte. Natürlich, er verdiente sich sein Geld und lebte davon. Sie ließ ihm einmal einen Rubin zurück und sagte:

“Hier ist ein Rubin, macht Euer Heim schön.“

“Oh, ich möchte ihn nicht“, entgegnete er. So ersuchte sie ihn nachdrücklich darum, ihn zu nehmen. “Gut, lege ihn irgendwohin, wenn du willst.“

Sie legte ihn irgendwohin. Nach sechs Monaten kam sie wieder. Er reparierte immer noch Schuhe. Sie sagte: “Ich ließ Euch einen Rubin zurück.“ – “Oh, er mag dort liegen, wohin du ihn gelegt hast“, erwiderte er.

Die Wahrheit ist eine. Das Merkmal eines Heiligen ist, daß er nicht darauf aus ist, sich hervorzutun. Er lebt nicht von Zuwendungen anderer, sondern verdient sich seinen Lebensunterhalt selbst. Er steht auf eigenen Beinen und hilft anderen. Er verlangt nichts für seine Lehren. So steht es in den Sikh-Schriften. Andernfalls wird es zum Geschäft.

Dies ist eine Übersicht dessen, was ich in den Schriften fand, mit gebührender Ehrerbietung für alle. Ich achte alle, auch jene, die es so halten. Denn nur durch Liebe kann man jemanden ändern, nicht durch Abneigung, nicht durch Kritik. Wenn ihr zusammensitzt und euch liebt, dann werdet ihr einander natürlich verstehen. Wollt ihr bei jemandem durchsetzen: “Sie sind im Recht, Sie sind im Unrecht“, wird niemand auf euch hören. Wahrheit ist Wahrheit.

So kam ich zu meinem Meister. Wo immer die Gotteskraft wirkt, haben wir Achtung für sie. Der Menschensohn macht nie geltend: “Ich tue es“; er sagt: “Gott in mir tut es.“ Er sieht das. Glücklich zu nennen sind jene, die einen solchen Meister finden; sie werden auf den Weg gestellt.

Welche weitere Verpflichtung gibt es? Je mehr ihr an seinen Worten festhaltet, desto besser ist es. Ich denke, wenn ihr einen solchen Meister findet und hundertprozentig nach seinen Lehren lebt, könnt ihr nicht auf diese Welt zurückkommen; ihr werdet das Höchste erreichen. Aber wir kümmern uns nicht darum; wir leben nicht nach dem, was er sagt. Das ist der Grund, weshalb Christus erklärte:

“Gott ist Licht, Gott ist Leben, und Gott ist Liebe.“ Dies könnt ihr erkennen, wenn ihr Licht seht, wenn ihr bewußt werdet. Und der Weg dorthin ist Liebe. Sie ist uns angeboren:

Gott ist Liebe und wir sind ebenfalls Liebe. Deshalb ist die Liebe in jedem - in den Seelen, in jeder Seele. Man kann feststellen, daß das Wort ‘Mensch‘ in Urdu ‘insan‘ genannt wird. ‘Insan‘ nennt man einen, der die personifizierte Liebe ist: er muß von Liebe für alle überfließen und Liebe für alle ausstrahlen. Das wiederum ist nur natürlich. Es ist das Merkmal eines Heiligen – daß er von Liebe für alle überfließt, auch für solche, die kommen, ihn zu preisen, und andere, die kommen, ihn zu kritisieren. Er liebt sie; er ist höflich, er ist liebevoll; er drängt ihnen nichts auf, sondern schlägt ihnen nur etwas vor.

In den Schriften der Moslems lest ihr:

“Denn der Mensch braucht einen, den er lieben kann.“ Der Mensch kann nicht leben, ohne je­manden zu lieben. Diese Liebe kennt Bindung. Diese Liebe ist nun an uns selbst gebunden, an den Körper, an die Kinder, an die Familie, an Freunde. Es wird “fehlgeleitete Liebe“ genannt. Wo immer ihr gebunden seid – ihr werdet wiederkommen und dorthin gehen. Und wenn sie auf das eigene Selbst gerichtet ist und an die uns kontrollierende Kraft, die es überwacht, wird das im wahren Sinne Liebe genannt.

So ist diese Liebe der Weg zurück zu Gott. Das sagen alle Meister. Wir aber lieben die Welt mehr als das “Wort“. Das ist es. Manche Leute beten zu Gott und lieben Gott nur, weil er ihnen weltliche Dinge gewählt. Wenn er sie ihnen nicht gibt, sagen sie: “Oh, wo ist Gott? Er schläft!“ Das ist es, wie die Menschen dann reden. Solange etwas unseren Zwecken dient und ihnen entgegenkommt, hört man von uns: “Ja, Gott ist gütig; er ist sehr groß.“ Doch wenn jemand stirbt: “Oh, Gott ist grausam – was ist Gott?“ Wenn man bedenkt, daß alles Gott gehört, und er euch etwas wegnimmt oder euch etwas zurückgibt, was kümmert es euch dann? Liebe kennt Geben, Liebe kennt Dienen, und Liebe kennt Opfern: nicht andere zu opfern, sondern euch selbst – als Dienst für Gott. Je mehr ihr liebt, desto mehr werdet ihr euch hingeben. Hingabe ist Ergeben­heit.

Wenn ihr euch jemandem ergebt, wird er euch alles opfern. Ergebenheit heißt sodann, daß ihr euch selbst hingebt. Aus dem Grund sagen alle Meister: “Laßt alles zurück und folgt mir nach.“ Wir können uns nicht hingeben. Ihr werdet Menschen finden, die ihren Körper übergeben; ihr könnt auch solchen begegnen, die ihren Reichtum weggeben. Aber wie viele gibt es, die ihr Gemüt übergeben? Seht ihr? Guru Arjan sagt: “Gebt euren Körper, gebt alles – euren ganzen Besitz, euer Gemüt, eure Seele hin – dann seid ihr bei Gott.“

Diese Dinge werden im allgemeinen gefordert. Das sagt einem der gesunde Menschenverstand. Ihr müßt lieben, denn die Liebe ist euch angeboren. Mißbraucht sie nicht. Wenn ihr andere ihrer Seele und wegen Gott, der in ihnen ist, liebt, dann ist es in Ordnung; das zieht keine Bindung nach sich. Aber wenn ihr sie ihres Körpers wegen liebt, entsteht eine solche.

Gestern hat mich eine Frau angerufen und gesagt: “Mein Sohn ist tot. Ich liebe ihn so sehr. Ich möchte ihn sehen. Kann ich ihn sehen?“ fragte sie. Ich entgegnete: “Weshalb wollen Sie ihn sehen? Er war im Leben als Sohn (oder Tochter oder anders) bei Ihnen –Rückwirkungen aus der Vergangenheit müssen abgewickelt und alles Geben und Nehmen zu Ende gebracht werden – und er ist nun seinen eigenen Weg gegangen.“

“Nein“, sagte sie, “ich möchte ihn sehen. Ich will alles tun, was Ihr sagt.“

“Gut“, entgegnete ich, “wenn Sie dorthin gehen und er noch nicht wieder inkarniert ist, mögen Sie ihn finden. Doch Sie werden ebenfalls feststellen, daß Ihre Spiritualität weg ist. Sie wurden initiiert. Ich muß es Ihnen offen sagen.“

Nach ein paar Minuten sah sie es ein. “Es ist nicht richtig, was ich wollte.“ – “Sie können ihm durch Ihr Gebet helfen, das ist alles. Haben Sie beste Wünsche für ihn, beten Sie für ihn – das ist in Ordnung.“ Die Dinge sind ganz klar, aber wir haben rauchgeschwärzte Gläser vor den Augen.

(Bibi Hardevi – Taiji – singt eines der Lieder vom Meister, ein besonders schönes Gebet. Das folgende ist eine Beschreibung des Meisters über den Inhalt des Gebets und was er dazu im weiteren sagt.)

Wenn wir den ersten Schritt tun, um uns einer Religion anzuschließen, gehen wir in die Kirchen und Andachtsstätten, wo uns die Geistlichen anweisen, täglich in den Schriften zu lesen. Sie sagen uns immer das gleiche: es gibt Gott, es gibt den Sohn Gottes; ihr könnt ihn durch den Menschensohn finden. Gott ist in euch: “Das Reich Gottes liegt in euch.“ Diese Lehren sind nur dazu gedacht, Liebe und Ergebenheit in uns zu entwickeln. Indem wir sie hören, erhebt sich ein starker Wunsch in uns, Gott zu erkennen. Und dann sa­gen jene, die durch das tägliche Lesen und Hören der Ansprachen den großen Wunsch in sich spüren, Gott zu finden: “0 ihr Geistli­chen, hört nun auf damit, mir die Schriften vorzulesen. Sagt mir, wie ich ihn finden kann. Der Wunsch, Gott zu erkennen, hat von mir Besitz genommen; es ist ein ernster Wunsch. Ich möchte eure Predigten nicht mehr hören. Sagt mir, wie ich Gott erkennen, wie ich ihn sehen kann. Das ganze Leben hindurch haben wir uns diese langen Geschichten angehört: es gibt Gott; Gott ist in euch. Ihr gehört dieser Religion an, bleibt in dieser Religion. O Priester, was tut ihr? Es geht euch darum, eure Gemeinschaft intakt zu halten, niemand soll sie verlassen. Doch ich möchte Gott finden. Die Religionen haben nur mit meinem Körper zu tun. Wenn er in mir ist und über allen Sinnen steht, sagt mir sodann, wie ich ihn erkennen, wie ihn sehen kann.“ Das ist der ernste Wunsch eines jeden Gottliebenden.

Frage: Maharaj Ji, wenn Ihr aber einen Geistlichen fragt, wie man Gott finden kann, ist seine Antwort für gewöhnlich: “Wenn ihr die Schriften lest und gut lebt, wird Christus euch nach dem Tod das Reich Gottes zeigen.“

Der Meister: Das ist richtig. Die Religionen versprechen eine Erfahrung Gottes erst nach dem Tod, nicht während des Lebens. Doch die Mystik – und die Meister – versprechen eine Erfahrung von Gott im Leben, nie nach dem Tod. Wenn ihr auf gut Glauben leben wollt, ist es eure eigene Wahl. Für alles auf der Welt muß man zahlen. Wenn einer im Falle dieser lebenswichtigen Frage bis nach dem Tod warten will, ist es seine Entscheidung.

Dann erhebt sich die natürliche Frage:

“Wenn man so sehr danach verlangt und sich sehnt, Gott zu finden, weshalb stirbt man dann nicht in dieser Trennung?“ Ihr habt vielleicht von Lord Rama gehört. Seine Frau, Sita, wurde von einem König namens Ravana entführt. Sie wurde viele Jahre von ihm festgehalten. Rama wollte zuerst einen Hinweis finden, ob Sita dort war oder nicht. Hanuman, der Affenkönig, ging hin und fand heraus, daß sie dort war. Als er zurückkam, brachte er Lord Rama den Anhaltspunkt: “Sita ist dort, sie lebt.“

Rama fragte ihn: “Weshalb ist sie nicht gestorben? Sie sagte, wenn sie von mir getrennt würde, müßte sie sterben. Wieso lebt sie?“

Ihr seht, starkes Verlangen heißt das: ein Fisch kann nicht ohne Wasser leben. Die Leute sagen das; aber in Wirklichkeit ist es nicht so.

Was hat er dann geantwortet? “Sitas Seele hat den Körper verlassen, doch sie wartet in den Augen. Weshalb? Denn wenn der Todesengel kommt, wird er sie nicht im Körper finden; aber sie wartet in den Augen, um dich zu sehen.“ Ein solch starkes Verlangen ist das natürliche Zeichen der Liebe.

Alle Meister, die gekommen sind, sagten dasselbe. Der zehnte Guru der Sikhs brachte zum Ausdruck: “Habt acht, ihr alle, ich sage euch die Wahrheit; unabhängig davon, welcher Religion ihr angehört, das hat nichts zu besagen; allein durch Liebe kann man Gott erkennen.“ Alle anderen sagten dasselbe: “Die nicht lieben, können Gott nicht erkennen.“ Von Christus wissen wir: “Wenn ihr michliebt, so haltet meine Gebote.“ Was sagte er weiter:

“Ich will den Vater bitten, und er soll euch einen anderen Tröster senden, daß er bei euch bleibe ewiglich. Den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, denn sie sieht ihn nicht. Ihr aber kennt ihn; er bleibt bei euch und wird in euch sein. Ich will euch nicht Waisen sein lassen; ich komme zu euch.“

Wenn zwei Menschen, vier Menschen denselben Menschen lieben, ist das ein Punkt zur Überlegung. Wahre Liebe ist, wo es keine Rivalität gibt. Wenn es zwei gibt, die denselben Meister lieben, wetteifern sie. Der eine sagt: “Ich sollte an erster Stelle stehen“; und der andere sagt: “Ich sollte an erster Stelle sein.“ Aber Liebe kennt keine Dualität, keine Rivalität, keinen Ärger und kein Bestreben, im Vordergrund zu stehen.

Prüft einmal eure Liebe für den Meister. Weshalb gibt es all die Konflikte unter den Anhängern? Weil sie keine echte Liebe haben, sage ich euch. Wenn sie wirkliche Liebe hätten – nun, die Liebe kennt keine Rivalität. Jeder wird glücklich sein, je mehr er sich Schulter an Schulter mit anderen für die gemeinsame Sache einsetzt. Christus erklärte weiter: “Aber der Tröster, der heilige Geist, den der Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch erinnern an alles, was ich euch gesagt habe. Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch.“

Wie ich euch also sagte, kennt Liebe keine Rivalität. Wenn zwei Anhänger desselben Meisters nicht harmonieren und der eine sagt:

“Ich stehe an vorderster Stelle“, der andere meint:

“Ich stehe an vorderster Stelle“, was ist die Folge davon? Meines Erachtens hat ein solcher Anhänger offensichtlich keine Liebe für den Meister – keine wahre Liebe. Er liebt den Meister aus selbstischen Motiven: er will ihm näher kommen, bei ihm in vorderster Reihe stehen. Liebe ist also das Mittel für alle Dinge: “Liebe und alle Dinge werden dir zufallen.“ Das Bedauerliche ist, daß wir nicht lieben.

Und dann erfahren wir von Christus: “Wie mein Vater mich liebt, so liebe ich euch auch; bleibt in meiner Liebe. Wenn ihr meine

Gebote haltet, so bleibt ihr in meiner Liebe; gleichwie ich meines Vaters Gebote halte und in seiner Liebe bleibe.“ Er liebte seinen Meister, seinen Gott. Er sagte: “Ich gebe euch ein neues Gebot: liebet einander.“ Darin ermangeln wir, sage ich euch. Ich habe diesen Punkt immer hervorgehoben, seitdem ich gekommen bin. Es ist das einzige Heilmittel für all unsere Leiden. Wenn einer vorwärts kommt, ist es Gottes Gnade.

Zu Anfang habe ich mehr Zeit eingesetzt; dann kam ich nach Rawalpindi. Als ich den ersten Tag dort war, wußte es jedermann: “Ein Anhänger des Meisters!“ Sie sprachen dies und jenes. Das wurde auch Bibi Hardevi bekannt, die hier sitzt. Sie kannte mich davor nicht. Die Leute sagten: “Ja, er ist hier; er ist ein sehr großer Anhänger des Meisters.“

Sie fragten: “Worin besteht seine Größe?“

“Er setzt täglich sechs Stunden für die Meditation ein.“

Sie erklärte: “Gut, wenn er das einsetzt, will ich sechs bis sieben Stunden einsetzen und ihn dann sehen.“ (Lachen)

Eine solche Rivalität ist gut. (Mehr Lachen) Seht ihr, wir wollen andere in den Schatten stellen, indem wir uns in den Vordergrund stellen. Sie kam also viele Monate nicht, mich zu treffen. (Lachen) Als sie dann täglich sechs bis sieben Stunden einsetzte, kam sie mit ihrem Mann, um mich zu sehen. Und erst wann? Als mein Sohn starb.

Ich war ganz guter Dinge. Der Arzt kam in der Nacht. Er gab meinem Sohn verschiedene

Dinge. Ich sagte zu ihm: “Nun, geben Sie ihm, was immer Sie wollen. Er muß gehen; möge er sein Geben und Nehmen beenden.“ Etwa um Mitternacht begann er zu röcheln; er mußte sich lange erbrechen, und es wurde ihm kalt. Ich sandte nach dem Arzt, und als er gekommen war, sagte er: “Ich gebe ihm eine Medizin, dann wird es ihm besser gehen.“ Doch am Morgen war mein Sohn bereit zu gehen. Der Arzt meinte: “Oh, nun sieht er mit einem Mal besser aus.“ Ich entgegnete: “Warten Sie draußen; er wird nun gehen.“ Ich sah ihn an, und er ging.

Damals kamen alle, um mich zu sehen. Ich erzähle das, um zu zeigen, wie diese Familie (Taiji und ihr Mann) mit mir in Verbindung kam; denn sie und ihr Mann sind ebenfalls gekommen und waren verwundert: “Ihr Sohn ist gestorben, und Sie sind ganz heiter. Es ist nicht das übliche, dabei so unbekümmert zu sein.“ Viele Leute kamen zu Besuch, und sie erzählten, daß jemand im Sikh-Tempel gesagt habe: “Hier kommt ein wahrer Sikh, der unserer Religion Ehre macht.“ Und ihr Mann hörte davon und dachte: “Es muß ein Anhänger meines Meisters sein.“ Er kannte mich vorher nicht. So ging er hin und erkundigte sich deswegen, und es war so. Er sagte ihnen:

“Seht, er ist mein Bruder, der zu meinem Meister ging und zu seinen Füßen saß.“ So kamen sie zu mir, um ihr Beileid auszusprechen. Und sie waren überrascht. Was tat ich? Ich gab ihnen Tee und dieses und jenes. Eine solche Rivalität ist also gut.

Nun, über das, was ein Mensch tut, denken andere nach. Macht euch ernstlich an die Arbeit. Je mehr einer fortschreitet, desto besser. Weshalb gibt es all diese Konflikte? Weil wir den Meister nicht lieben, offen gesagt. Wenn jemand der Geliebte des Meisters wurde, ist es gut; ihr sollt auch der Geliebte werden. Findet heraus, wie der andere zum Geliebten wurde: “Weshalb liebt ihn der Meister? Es muß einen Grund haben.“ Eine solche Liebe kennt keine Rivalität, man sagt sich:

“Warum ist der andere vorangekommen?“ In aller Ruhe und ohne darauf zu achten, gehen sie weiter, tun sie es einfach. Sie zeigen anderen nicht, was sie tun; sie wollen weiterkommen und überlassen es anderen, selbst zu sehen.

Dies sind die erforderlichen Dinge. Christus hat gesagt: “Das ist mein Gebot, daß ihr euch untereinander liebet, gleichwie ich euch liebe. Niemand hat größere Liebe denn die, daß er sein Leben lasset für seine Freunde.“ Liebe kennt Dienen und Opfer. Was sagte Christus? Wißt ihr das? “Ihr seid meine Freunde ... Er wollte uns nicht zu Sklaven machen. Die Meister machen euch nicht zu Sklaven. Das Schöne bei unserem Meister war, daß er sehr höflich, sehr liebevoll mit uns sprach. Ein Meister macht euch nicht zu Sklaven. Weshalb nicht? “...wenn ihr tut, was ich euch gebiete. Ich sage hinfort nicht, daß ihr Knechte seid; denn ein Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Euch aber habe ich gesagt, daß ihr Freunde seid; denn alles, was ich habe von meinem Vater gehört, habe ich euch kundgetan.“

Versteht ihr? Es gibt gewisse sogenannte Meister, sage ich euch, die andere wie ihre Sklaven behandeln – gekaufte Sklaven – sie nutzen sie aus, so gut es nur geht. Und ich sage euch, die Bedingungen des Meisters sind sehr streng. Von jedem, der den Dienst seiner anderen Schüler-Gefährten in Anspruch nehmen will, ohne die Genehmigung des Meisters, von dem wendet sich der Meister ab. Wir betrachten es heiter: “Oh, jeder liebt mich jetzt, er dient mir, er bringt mir Opfer; ich erhalte von ihm so viele Wohltaten und Zuwendungen ...“ Das sollte nicht sein.

Wenn immer ihr vergleichen müßt, macht es folgendermaßen: wenn einer mehr tut, so tut ihr noch mehr. Wenn er, sagen wir, vier Stunden meditiert, so setzt ihr fünf Stunden ein. Das ist eine gute Rivalität, nicht wahr? Aber wir tun es nicht, das ist der Jammer. Und das ist die eigentliche Ursache all unserer Konflikte, all unserer Meinungsgegensätze. Die verschiedenen Gemeinschaften entstehen, offen gesagt, wenn wir der Liebe ermangeln.

Frage: Maharaji, weshalb erklärt Ihr uns nicht das Lied von Madame Hardevi?

Der Meister: Ich habe euch die Kerngedanken davon wiedergegeben. Sie rufen aus: “Oh Priester, du hast mir seit langen Zeiten immer wieder aus allen Schriften vorgelesen; sage mir nun, wie Gott zu finden, wo er zu finden ist! Ich weiß, daß ich ihn finden muß, aber ich weiß nicht, wo und wie. Alle Religionen sagen uns das. Doch sie sagen uns nicht, wo und wie wir ihn finden können. Die Geistlichen wollen ihre Religionen erhalten und sehen darauf, daß ihnen niemand verloren geht. Sie sagen: ‘Geht nicht hin, um über eine andere Religion etwas zu hören, denn wenn ihr das tut, werdet ihr kein Christ, kein Hindu, kein Moslem bleiben.‘ Sie sind darauf aus; und die Liebenden fragen: ‘Wie kann ich Gott finden?‘ Alle Liebenden sind eins. Wir müssen dem Heer Gottes beitreten, vergeßt das nicht. Aber die Geistlichen kapseln euch ab, halten euch isoliert in eurem Kerker fest. ‘Ihr sollt nicht aus ihm weglaufen; nicht anderen Gehör schenken; wenn ihr dies tut, ist es eine Sünde.‘ Was sollen all diese Dinge? Sie erscheinen lächerlich, ist es nicht so?“ Das ist es.

Die verschiedenen Gemeinschaften erstarren. Religionen bleiben solange lebendig, wie es erwachte Menschen gibt. Unter jenen, die nicht erwacht sind, werden sie zu einem Bollwerk. Eine Religion beginnt die andere abzulehnen, und die Erstarrung äußert sich so:

“Nur auf diese Weise seid ihr für Gott annehmbar.“ Aber wir müssen sehen, mit welcher Liebe ihr das eine oder andere Ritual ausführt. Die Liebe zählt, nicht das Ritual oder wie man es ausführt. Und natürlich, Stagnation hat Entartung zur Folge: das ist der Grund für all die Meinungsverschiedenheiten. Sie spenden Tausende und Millionen von Mark, um ihre eigenen Gruppen aufrechtzuerhalten. Sie waren bereit, in Religionskriegen Hunderte und Tausende von Menschen dafür zu opfern. Aber den auf Erden wandelnden hungrigen Göttern zu dienen, das wollten sie nicht. Ich spreche zu euch nur von der Ebene des gesunden Menschenverstandes.

Kommentar: Heute abend wird es keine weitere Zusammenkunft geben. Der Meister hat sich diesen Morgen schon seit etwa 9 Uhr zur Verfügung gestellt.

Der Meister: Keine Zusammenkunft? Wollt ihr noch mehr nach 10.15 h ? (Lachen) Gut, wenn das jemand möchte, ist er willkommen. Ich habe nichts dagegen ... Wer sind sie? Ja, sie sind willkommen ... Gut, laßt sie den besten Gebrauch von mir machen.

 

aus:  Sat Sandesh(D) 1984, Hefte 4 und 5

 

 


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