Der geistige Aspekt der vegetarischen
Ernährung
Rundschreiben Nr. 10
(Herausgegeben
im Juli 1958)
Jeder sucht Ruhe und Frieden, aber beides entzieht
sich dem Menschen immer wieder. Alle unsere Anstrengungen auf diesem Gebiet
sind umsonst und erweisen sich als fruchtlos. Weshalb? Weil wir unsere
Bemühungen in die falsche Richtung lenken. Der Mensch lebt auf zwei Ebenen; der
äußeren und der inneren. Wir müssen erst die äußeren Dinge in Ordnung bringen,
bevor wir ins Innere eintreten können, um Frieden in die äußere Ebene zu
tragen. Drei Faktoren sind in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung:
Richtige Beschäftigung,
richtige Lebensführung,
richtige Ernährung.
Der höchste Zweck des menschlichen Lebens ist,
Selbsterkenntnis und Gotterkenntnis zu erlangen; alles andere ist lediglich
Zerstreuung.
„Ein gesunder Geist in einem gesunden
Körper", heißt ein bekanntes Sprichwort. Deshalb muss man danach
zuallererst streben. Wir müssen sowohl den Körper als auch den Geist gesund
erhalten, bevor wir sie als Werkzeuge für den spirituellen Fortschritt
gebrauchen können. Aus diesem Grunde ist es auch erforderlich, Nahrung zu sich
zu nehmen. Ohne Nahrung können wir Leib und Seele nicht zusammenhalten.
Unser erstes und wichtigstes Problem ist daher die
Ernährung; denn die Nahrung erhält den Körper wie auch den Geist.
Die richtige Art der Nahrung,
auf ehrliche Weise erworben,
in rechter Weise zu sich
genommen,
hilft eine Menge in dieser Richtung.
Deswegen muss der Mensch sein tägliches Brot im
Schweiße seines Angesichtes verdienen, wie es heißt, und sollte nicht auf
Kosten anderer leben. Wir müssen unseren Lebensunterhalt mit einer ehrlichen
und nützlichen Tätigkeit verdienen, ganz gleich ob körperlicher oder geistiger
Art. Sie muss jedoch ohne Falsch, Heuchelei, Übelwollen und Feindseligkeit
sein, denn das karmische Gesetz wirkt unerbittlich.
Jede Handlung führt zu einer Reaktion, und auf diese
Weise geht die endlose Kette unaufhörlich weiter. Daher ist es notwendig, ein
ehrenhaftes Leben zu führen, mag es auch noch so dürftig sein. Mit einer
ehrlichen Beschäftigung kann man keine Reichtümer anhäufen. Reichtümer wachsen
unter den Seufzern der Armen und Unterdrückten, der Holzfäller und Wassergräber
und gedeihen durch das Herzblut unserer Mitmenschen. Wir sollten deshalb nicht
nach schweren Speisen und delikaten Gerichten verlangen, da wir durch ihren
Genuss zu Ausbeutern werden, uns so mit dem unsäglichen Leiden der Armen und
Bedürftigen beflecken und uns am Ende genauso elend machen.
„Wir alle werden in den unsichtbaren
Feuern der Hölle aufgezehrt
und doch wissen wir es nicht.”
Die Nahrung ist, wie ihr wisst, für den Menschen
geschaffen und nicht der Mensch für die Nahrung. Wir müssen von ihr, wie auch
von allen anderen Dingen des Lebens, den richtigen Gebrauch machen. Wer Sklave
seines Gaumens ist, kann nichts Nützliches zustande bringen. Durch redliche
Kontrolle des Gaumens können wir unser ganzes physisches und geistiges System
unter Kontrolle halten. Eine einfache Kost ist nahrhafter und bekömmlicher und
dient dem spirituellen Fortschritt mehr als alle sogenannten Delikatessen, die
die heutige kulinarische Kunst uns anbietet. Einfache Kost wird immer ein
angenehmes Gefühl und Gemütsruhe bewirken und helfen, mit den verfügbaren
Mitteln auszukommen, wie bescheiden sie auch immer sind, ohne dass man die Hand
vor anderen ausstrecken muss.
Als ich nach meiner langen Tätigkeit bei der
Regierung in den Ruhestand treten wollte, fragte mich mein Vorgesetzter, ob ich
eine Verlängerung der Dienstzeit haben möchte. Aber ich lehnte das Anerbieten
höflich ab und sagte: „Ich will keine Verlängerung, da ich meine
Verhältnisse dem begrenzten Umfang meiner Pension anzugleichen weiß.”
Nun zu den Speisen, die von dreierlei Art sind:
1. SATWIK: Reine
Nahrungsmittel: Milch, Butter, Käse, Reis,
Linsen, Hülsenfrüchte, Getreide,
Gemüse, Früchte und Nüsse.
2. RAJSIK: Anregende Nahrung: Pfeffer, Gewürze,
Spezereien, saure und bittere Dinge.
3. TAMSIK: Schwächende Nahrung: Zu alt gewordene Speisen,
Eier, Fleisch, Fisch, Geflügel, Wein usw.
Von diesen drei Arten sollten wir stets Satwik oder reine Nahrungsmittel vorziehen. Diese bewirken viel Gutes; doch
auch davon sollten wir immer ein bisschen weniger zu uns nehmen, als zur
Erreichung des Sättigungspunktes erforderlich wäre. Delikate Speisen verleiten
uns dazu, mehr zu essen als tatsächlich nötig wäre; und dieses Zuviel an
Nahrung erweist sich eher als nachteilig, anstatt uns zusätzliche Gesundheit
und Kraft zu geben. Die Speisen, die nicht richtig verdaut in den Kreislauf
aufgenommen werden, verursachen Koliken und Schmerzen und in einigen Fällen
sogar Cholera, und man muss es dann mit dem Leben bezahlen. „Überlade den
Motor deines Magens nicht”, sonst fällst du leicht der Übelkeit zum
Opfer. Auch ein Zuviel von dem, was gut ist, kann zuweilen von Nachteil sein.
Mäßigkeit bei Lebensmitteln und Speisen fördert das Wachstum der Lebenskräfte
des Menschen. In den Puranas (alten
Hinduschriften) beklagt sich der allegorische Gott der Speisen bei Lord Vishnu,
dem Erhalter des Universums, darüber, dass ihn die Menschen in hohem Maße
missbrauchten. Lord Vishnu erwiderte darauf humorvoll:
Diejenigen, die zuviel essen, musst du aufessen,
denn das ist das einzige Hilfsmittel.”
Frische Luft ist der wichtigste Teil bei unserer
Ernährung. Man muss in langen, tiefen Zügen einatmen, den Atem etwas anhalten
und dann völlig ausatmen, um alle Unreinheiten aus dem Körper auszustoßen.
Außerdem muss man viel reines Wasser trinken und Fruchtsäfte zu sich nehmen, um
das ganze System durchzuspülen und somit zu reinigen. Aber meidet alle Arten
von gesundheitsschädigenden Getränken, Spirituosen und Rauschmittel, da sie
Gemüt und Verstand krank machen. Körner und Früchte sollten die Grundlage
unserer Ernährung bilden.
Wie schon gesagt, muss der Mensch seinen
Lebensunterhalt auf saubere, rechtschaffene und ehrliche Weise selbst
verdienen, und ebenso ist es die moralische Pflicht der Hausfrau, die
Satwik-Speisen mit Liebe und in Gedanken an Gott zu bereiten. Wenn die Hände
bei der Arbeit sind, während die Gedanken voller Liebe bei Gott weilen, wird
das so zubereitete Mahl zum himmlischen Manna und gereicht denen zum Segen, die
daran teilhaben.
Der große Meister Hazoor Baba Sawan Singh Ji Maharaj pflegte uns oft das Beispiel
eines indischen Bauern zu geben, der seiner Geliebten bezaubernde Lieder singt,
während seine Hände den Pflug führen. So sollte wahrlich unsere Haltung in
diesen Dingen sein.
Im Jahre 1921 war ich als Rechnungsführer bei der
Sikh-Einheit Nr. 36 tätig und hatte einen Feldkoch zur Verfügung. Ich sagte
ihm, dass mich seine Vergangenheit nicht interessiere, solange er bei der
Zubereitung des Essens die heiligen Namen Gottes wiederhole und niemandem
erlaube, die Küche zu betreten, um ihn mit nutzlosem Geschwätz abzulenken. Der
Koch versprach, dies zu tun, und alles ging zwei oder drei Tage lang gut; aber
am vierten Tag bemerkte ich, dass mein Gemüt während der Meditation unruhig
war. Mitten in der Nacht rief ich den Koch und fragte ihn, ob noch jemand
anders mit ihm in der Küche war, während er das Essen bereitete? Zuerst
verneinte er, aber schließlich gab er zu, dass jemand gekommen war, der ihn in
eine Unterhaltung gezogen und ihn dadurch davon abgelenkt hatte, liebevoll an
Gott zu denken. Er bekam eine Verwarnung und befolgte danach meine Anweisungen
immer gewissenhaft. Dies ist alsdann der beste Prüfstein für den spirituellen
Fortschritt und auch, ob die aufgenommene Nahrung in Beschaffung und
Zubereitung rein war.
Sheikh Saadi, ein großer Mystiker und Dichter aus
Shiraz in Persien, predigte immer, man solle den Magen in vier Teile einteilen:
Zwei für eine begrenzte Menge einfacher Nahrung,
einen für reines, klares Wasser,
während der letzte für das
Licht Gottes
reserviert bleiben
sollte.
Wir lesen von einer Begebenheit im Leben von Hazrat
Mohammed, dem Propheten des Islam. Eines Tages kam ein Arzt zu ihm und bot ihm
seine Dienste an für die Kranken und Leidenden des „Umat”, der
Gefolgschaft des Propheten. Der Arzt verbrachte dort etwa sechs Monate in
müßigem Nichtstun, da keiner aus dem Gefolge des Propheten krank wurde. So trat
er an den Propheten heran und bat um seine Entlassung, da niemand seiner
Dienste bedurfte. Hazrat Mohammed entließ den Arzt mit mildem Lächeln auf den
Lippen und sagte:
„Solange die Gemeinde die Anweisungen befolgt, wird sicher niemand
krank, denn alle leben nach einer heilsamen Grundregel – stets ein
bisschen weniger zu essen, als man dem Hunger entsprechend möchte; ein reines
Leben mit redlichem Einkommen zu führen.”
Baba Jaimal Singh Ji, ein großer Meister seiner
Zeit, pflegte einige Brote oder Chapatis zu kaufen, sie in ein Stück Tuch zu
wickeln und an den Zweig eines Baumes zu hängen. Dann widmete er sich den
ganzen Tag der Meditation. Wenn er dann aus seinem Samadhi aufstand, nahm er
ein Stück Brot, tauchte es in Wasser und aß davon, bevor er von neuem in
Meditation ging. Vollweizenbrot ist eine vollwertige Nahrung; wir berauben die
Körner erst der lebenswichtigen Elemente, indem wir die Hülsen entfernen und
sie in kraftbetriebenen Mühlen zu weißem Mehl mahlen. So zerstörten wir den
Phosphor und das Öl in den Körnern und machen eine üble Masse daraus.
Sehr oft konnte ich mit eigenen Augen beobachten,
dass Hazoor Baba Sawan Singhs Nahrung immer sehr einfach war und nur aus ein
paar nahrhaften Dingen in sehr geringen Mengen bestand.
Alle Heiligen leben von sehr einfacher Nahrung. So
auch Shamas Tabrez, ein
Moslem-Heiliger, und Soami Shiv Dayal
Singh Ji, die beide nach dem Grundsatz lebten:
,,Iß weniger und bleibe glücklich.”
Bei einem Leben mit einfacher Nahrung und hoher
Denkweise, verbunden mit hoher Moral und reiner Lebensführung, braucht man
keines der Stärkungsmittel, wie sie den Markt heutzutage überschwemmen. Der
Genuss üppiger Speisen bringt nicht nur den Magen in Unordnung, sondern hat
ernsthafte Folgen, die manchmal recht gefährlich werden können. Sehr häufig
beklagen sich die Menschen, dass sie anscheinend keine Fortschritte auf dem
Pfad machen, aber wie wenig erkennen sie, dass dies auf fehlerhafte Ernährung
und falsche Lebensweise zurückzuführen ist. Der Prophet Mohammed hat sich
hauptsächlich von Gerstenbrot ernährt, wie man lesen kann.
Die Satwik-Nahrung hält Kopf und Herz von allen
Unreinheiten frei. Täglich lesen wir, dass Verbrechen und Korruption ständig
zunehmen und dass die Polizei verschiedenartige Spezialeinheiten aufstellt, um
dieser wachsenden Bedrohung zu begegnen. „Esst, trinkt und seid
fröhlich”, heißt die Tagesparole. Jeder möchte sich durch Reisen und den
Besuch von Vergnügungsstätten, Lichtspieltheatern usw. amüsieren – und
all das geht über seine knappen Mittel hinaus. Aber wie kann man zu mehr Geld
kommen? Nur Aladins Wunderlampe kann da helfen. Ein ehrlicher Mensch kann kaum
Leib und Seele zusammenhalten. Aber nur sehr wenige können sich den
Versuchungen und Fallstricken der glitzernden Welt entziehen. Die meisten von
uns führen ein Leben voller Lust und Gier: Die einen leiden an der Lust der
Augen, andere unter der Lust der Ohren und wieder andere leiden unter den
verschiedenen Begierden des Fleisches. Wir nehmen keine Rücksicht auf die
Frauen, Töchter und Schwestern der anderen und laufen ihnen blindlings nach.
Die Welt befindet sich in einem Zustand rasch fortschreitenden Verfalls.
„Sage mir, mit wem du umgehst, so sage ich
dir, wer du bist.” Willst du wissen, wie deine Kinder heranwachsen, dann
achte auf ihre Gefährten; von ihnen kannst du leicht auf deine Kinder
schließen.
Wir sind alle von Gott erschaffen worden. Wir alle
sind verkörperte Seelen. Die Seele ist vom gleichen Wesen wie Gott, und Gott
lebt in uns allen. Deshalb sollten wir einander lieben. Auch Paulus hat dies
sein Leben lang gepredigt. Im Koran steht geschrieben:
„0 Menschenkinder, tut Gutes,
seid gut zu euren Eltern, zu euren Verwandten,
zu den Waisen, zu den Armen und Bedürftigen,
zu euren Nachbarn und zu euren Mitmenschen;
ein solches Leben erfreut Allah.”
„Allah lebt in jedem von uns,
den Hochmütigen und Selbstsüchtigen
hat Gott nicht gern.”
Ein Meister-Heiliger schärft immer ein:
1. Liebe und Achtung für die ganze Schöpfung, von der
höchsten bis zur niedrigsten,
2. das Üben von Gewaltlosigkeit bis in die tiefsten Tiefen
des Herzens,
3. Wahrhaftigkeit,
4. das Nicht-Verletzen der Gefühle anderer in Gedanken,
Worten, Symbolen und Taten,
5. Freundlichkeit allen gegenüber,
6. ein heiteres Wesen,
7. den Glauben an das angeborene Gute im Menschen,
8. andere nicht zu beschimpfen,
9. sich nicht einzulassen in verleumderische und verliebte
Reden und eitles Streben,
10. das Vermeiden von Beschuldigungen, denn sie fallen auf den
Urheber mit größerer Heftigkeit zurück.
Wenn man nach Gottverwirklichung strebt, darf man
die Gefühle anderer nicht verletzen, denn das Herz ist der Sitz Gottes. Habt
ihr euch schon einmal vor Augen gehalten, dass ein Mangosamen, wenn er in die
Erde gelegt wird, alle Süße aus dem Boden sammelt, während ein Pfefferkorn die
ganze Bitterkeit an sich zieht? Wie der Mensch denkt, so wird er. Nichts ist gut oder böse in der Welt, erst
unser Denken macht es so. Wir sind wie eines der beiden Samenkörner und
ziehen die Impulse aus der Atmosphäre an, wie es unserer geistigen Einstellung
entspricht.
Im Mahabharata, der großen Heldendichtung des alten
Indien, heißt es, dass gute Taten die äußeren Anzeichen eines keuschen und
reinen Lebens sind. Wie man den Baum an seinen Früchten erkennt, so erkennt man
den Menschen an seinen Taten. Dies ist eine große Lehre von hohem Wert. Sie hilft
dem Menschen, sich zu entfalten und hier wie auch im jenseitigen Leben in gutem
Ruf zu stehen. Er wird ein Freund aller Geschöpfe sein, weil er keines von
ihnen verletzt oder tötet, nicht einmal die bescheidene Biene oder die niedrige
Ameise. Ein solcher Mensch wird sicherlich eines Tages die Wahrheit erkennen.
Prinz Dhrit Rashtra, der Sohn des Kuru, des
mächtigen Königs von Bharata, schmähte einst Gandiva, den machtvollen Bogen
Arjunas, des Pandu-Prinzen. Arjuna ergrimmte und legte zutiefst verletzt seinen
Pfeil auf den Bogen Gandiva. Lord
Krishna, der gerade zugegen war, fragte Arjuna, was er tue. Arjuna
erwiderte, dass er als Kshatriya-Prinz ein Gelübde abgelegt habe:
„Wenn jemand auch nur ein Wort gegen meinen machtvollen Bogen sagt,
werde ich ihn nicht schonen.”
Darauf sagte Lord Krishna:
„O Arjuna, kannst du mir sagen, welches die Frucht von Dharma oder
Rechtschaffenheit ist? Ist es Leid oder Freude?“
Arjuna erwiderte:
‚,Dharma oder Rechtschaffenheit besteht nur in der daraus folgenden
Liebe und Harmonie.”
Also muss man zuerst an die Folgen denken, bevor man
etwas tut oder zu tun beabsichtigt. Das wird die Spanne des menschlichen Lebens
gewiss verlängern.
Ein Mensch, der ein tugendhaftes Leben führt, wird
niemals einen üblen Gedanken gegen irgend jemanden in sich aufkommen lassen und
wird sich niemals aus der Ruhe bringen lassen und erregt werden. Ein solcher
Mensch sichert sich ein langes Leben. Der Lebenslauf wird nach Atemzügen
berechnet. Normalerweise verläuft die Atmung ganz rhythmisch mit etwa 10
– 12 Atemzügen in der Minute. Doch wenn jemand in Wut gerät oder erregt
ist, atmet er 20 – 23mal in der Minute. Es liegt also eine tiefe Wahrheit
in dem Sprichwort, dass gute Taten oder Tugenden das Leben verlängern, während
üble und lasterhafte Handlungen das Leben verkürzen.
Denke daran, auch wenn du Verdienstvolles tust, wird
dir dies nichts helfen, solange du dabei kein gutes moralisches Leben führst.
Versuche nach den Anweisungen des Meisters zu leben, denn nur dann können deine
Worte bei deinen Freunden Gewicht haben. Mit Lüsternheit im Herzen und Begierde
in den Augen kannst du unmöglich Keuschheit predigen. Auf die Dauer kannst du
die Menschen nicht täuschen. Früher oder später springt die Katze doch aus dem
Sack. Die Leute werden dir nicht lange blind vertrauen und was du sagst, für
bare Münze nehmen. Entschuldigt, wenn ich frage, weshalb Vereinigungen und
Prediger so oft in schlechten Ruf geraten. Nur, weil sie nicht selbst nach den
Lehren leben, die sie anderen predigen.
Ein frommer Mensch ist aufrichtiger Gesinnung und
rechtschaffenen Herzens. Er ist innerlich wie äußerlich voller Frieden. Sein
Tun ist fair, offen und einwandfrei. Die Wahrheit entspringt der Tiefe seines
Herzens. Die Zuhörer sind wie gebannt von ihm, und es überkommt sie ein Gefühl
der Geborgenheit, da liebevolle und reine Gedanken seine Worte durchdringen und
eine beruhigende Wirkung haben, so dass sich jeder zufriedengestellt fühlt. Als
einzelner unter vielen steht er da wie ein starker Turm durch die Reinheit
seines Herzens. Lord Tennyson, ein großer Dichter, legt Sir Galahad, einem der
Ritter von der Tafelrunde, folgende Worte in den Mund:
„Meine Stärke ist wie die Stärke von zehn, denn mein Herz ist
rein.”
Es heißt, dass der Mensch aus der Überfülle seines
Herzens spricht. Wenn aber ein Mensch selbstsüchtig und boshaft ist, fällt er
mit eigener Hand den Lebensbaum, auf dem er selbstzufrieden sitzt. Jeder wird
in Angst und Schrecken vor ihm leben. Die Leute fürchten sich sogar, ihm ins
Gesicht zu sehen, und betrachten ihn als unheilbringendes Wesen. Wenn solch ein
Mensch irgendwo hingeht, meiden ihn die Leute schon von Ferne und halten ihn
für einen unglücklichen Verfehmten.
Ein rechtschaffener Mensch dagegen behält seine Schwächen
im Auge und rottet eine nach der anderen durch Selbstprüfung aus. Soami Shiv
Dayal Singh Ji rät, seine Fehler einen nach dem anderen herauszufinden und sie
auszumerzen. Alle anderen Heiligen haben dasselbe mit gleichem Nachdruck
gesagt:
1. Liebe deinen Nächsten wie
dich selbst.
2. Tue anderen so, wie du
willst, dass sie dir tun.
Die ganze Religionsphilosophie hängt an diesen
beiden Hauptprinzipien. Wenn sich jemand diese beiden goldenen Regeln zu eigen
macht, wird sich sein Leben bestimmt wandeln. Wer keinerlei Mitgefühl und
menschliches Empfinden in seinem Herzen hat, verdient nicht einmal Mensch
genannt zu werden und kann Gott nicht erkennen. Wer seinen Feinden liebevoll
begegnet, wird sie schnell entwaffnen. Versuche, soweit du kannst, niemanden zu
verletzen. Sei gut zu allen, und du wirst in Frieden mit dir selbst leben, und
ein strahlendes Zentrum liebenden Wohlwollens wird um dich herum sein. Die
Gebete anderer, denen du Gutes getan hast, werden dir helfen. Die guten
Gedanken anderer werden dich segnend umgeben. Der bloße Gedanke, Gutes zu tun,
wirkt sich zuerst auf dich aus und zieht alle guten Schwingungen aus der
umliegenden Atmosphäre an.
Wir haben hier kurz zusammengefasst eine ,,Panch
Shilla” oder fünf Grundwahrheiten aufgestellt, auf welchen wir die
wunderbare Wohnstatt der Spiritualität errichten können. Sie heißen:
1. Gewaltlosigkeit in Gedanken, Worten und Taten.
2. Wahrhaftigkeit.
3. Keuschheit.
4. Liebe für alle und Hass gegen niemanden, ungeachtet von
Stellung, Besitz oder Bildung.
5. Selbstloser
Dienst – physisch und finanziell – und bereitwillige Anteilnahme
an den Freuden und Sorgen anderer.
„Der lebende Meister durchschlägt den
Gordischen Knoten eines Initiierten.”
„Der Schüler des Meisters enthält sich der
Sünden.”
Diejenigen, welche das oben Gesagte beherzigen,
bereichern ihr Leben hier und im Jenseits. Sie werden ihr Gemüt und die nach
außen strebenden Kräfte beherrschen, indem sie mit dem lebendigen Wort Gottes
durch den Lebenden Meister-Heiligen in Verbindung kommen.
KIRPAL SINGH